Standmitteilungen Lebensversicherung: Verbesserte Qualität, aber weiterhin Probleme bei der Verständlichkeit

von Henning Kühl | | Divers
Standmitteilungen Lebensversicherung: Verbesserte Qualität, aber weiterhin Probleme bei der Verständlichkeit

Die jährlichen Standmitteilungen, die die deutschen Lebensversicherer an ihre Bestandskunden verschicken, erfüllen nun fast überall eindeutig die gesetzlichen Vorgaben. Im Jahr 2021 haben weitere Gesellschaften ihre Standmitteilung vollkommen überarbeitet, um ihren Kunden mehr und verständlichere Informationen über ihre Verträge zu liefern.  Bei der vierten Auflage der großen systematischen Transparenzstudie von Policen Direkt zeigt sich jedoch, dass trotz zahlreicher Informationen wichtige Werte nicht leicht zu berechnen oder nicht nachvollziehbar sind. So bleibt bei mehreren Versicherern der Nutzwert der Standmitteilungen eingeschränkt, da z.B. die garantierten Ablaufleistungen oder die Höhe der kompletten Bewertungsreserven nicht direkt ersichtlich sind.

Mittlerweile setzen über 95 % der deutschen Versicherungsgesellschaften mit ihren Standmitteilungen die gesetzlichen Vorgaben von 2018 um und liefern die vorgeschriebenen Informationen. Nach der Neufassung des § 155 VVG im Juli 2018 gibt es im Jahr 2022 nur noch sehr wenige Gesellschaften, die ihren Klassik-Bestandskunden keine überarbeitete Kunden-Information zusenden.

„Erneut haben weitere Versicherer die Informationen in ihren jährlichen Mitteilungen erweitert. Der Umfang der Dokumente ist inzwischen überwiegend völlig ausreichend“, erklärt Henning Kühl, Leitender Aktuar von Policen Direkt und Versicherungsmathematiker (DAV). „Allerdings sollten die erforderlichen Werte nicht nur vorhanden sein, sondern auch transparent und verständlich vorliegen. So reicht es bei den Rückkaufswerten nicht aus, nur die Höhe der Überschüsse zu nennen. Um die Vertragsentwicklung nachvollziehen zu können, werden oft noch weitere Angaben benötigt.“ Gerade bei der Höhe der Bewertungsreserven, den Überschüssen von im Vertrag enthaltenen Zusatzversicherungen oder bei Rentenpolicen mit Anwartschaften liegt die Darstellung weiter im Ermessen des Versicherers und ist oft weder ausreichend vollständig transparent noch verständlich genug erklärt. Dabei haben diese Komponenten einen großen Einfluss auf den Auszahlungswert.

Weitere Angaben zur Verbesserung der Transparenz oft notwendig

Wie wichtig hier aber Transparenz ist, zeigt sich aktuell: Verbraucher sind darauf angewiesen, fundierte Entscheidungen zu ihren Verträgen treffen zu können. Die Corona-Pandemie und ihre Folgen führen weiterhin zu erhöhtem Liquiditätsbedarf. „Nur wer weiß, was sein Vertrag heute wert ist, was er jetzt und später damit sicher erzielen kann, und die ihm zur Verfügung stehenden Alternativen kennt, kann eine bewusste Entscheidung über seine Lebensversicherung treffen.“, so Kühl weiter. „Überschussmitteilungen sollten die Kunden in die Lage versetzen, den aktuellen Wert der eigenen privaten Altersvorsorge korrekt einzuschätzen und die möglichen Alternativen zur Fortführung beurteilen zu können. Gute Standmitteilungen informieren heutzutage auch darüber, wie die Leistungen bei Ablauf, bei Tod und bei den Zusatzversicherungen nach einer Beitragsfreistellung aussehen.“

Besonders transparente Gesellschaften weisen nicht nur auf die Stelle auf der Webseite hin, wo gemäß § 15 der Mindestzuführungsverordnung (MindZV) über die Beteiligung an den Ertragsquellen informiert wird, sondern auch die CSR-, Geschäfts- und Solvenzberichte zu finden sind. Obwohl das Thema COVID-19 im Jahr 2021 eine wichtige Rolle spielte, war die Pandemie kein größeres Thema in den Standmitteilungen. Dagegen informieren immer mehr Gesellschaften über ihre Aktivitäten zur Nachhaltigkeit. Bei 14 Lebensversicherern können nun die Kunden in der Standmitteilung etwas über den Umfang der Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage lernen. Inzwischen werden bei den ersten jährlichen Überschussmitteilungen Blätter beigelegt, die über den Umgang mit den Nachhaltigkeitsrisiken informieren und erläutern, in welchen Bereichen aus Nachhaltigkeitsgründen nicht mehr investiert wird.

Die Ergebnisse in der Übersicht

  • 70 von 74 (2020: 66 von 74) untersuchte Unternehmen erfüllen die seit 2018 geltenden gesetzlichen Mindestanforderungen für alle untersuchten Verträge vollständig.
  • 56 (39) erfüllen dazu sämtliche BaFin-Anforderungen zu den Bewertungsreserven.
  • 20 (17) Lebensversicherer teilen ihren Kunden diese gesetzlichen Pflichtangaben und sämtliche weitere für die Transparenz notwendigen Angaben mit.
  • 14 (10) Versicherer informieren zur Nachhaltigkeit bei den Kapitalanlagen.

Bei der vierten Untersuchung zu den Standmitteilungen konnte erneut festgestellt werden, dass von den 68 Lebensversicherern, die nicht nur die garantierte, sondern auch die prognostizierte Ablaufleistung mitteilen, nur 29 auch Angaben über die Zusammensetzung der zukünftigen, noch unsicheren Überschüsse machen. „In diesem Jahr sehr auffällig ist, dass die Anzahl der verschiedenen Standmitteilungen abgenommen hat. Es gibt einen eindeutigen Trend, dass innerhalb einer Versicherungsgruppe nur noch eine einheitliche Form der Darstellung verwendet wird“, sagt Kühl. „Bei 8 Versicherungsgruppen sind die Angaben bei allen Lebensversicherern inzwischen identisch.“  Als wichtige Angabe in der Standmitteilung bewertet Policen Direkt auch die Information über die aktuelle Höhe des zusätzlichen Versicherungsschutzes. Immerhin bei 61 von 74 Versicherern können entsprechende Angaben gefunden werden. Allerdings geben nur 12 Versicherer die Höhe der Überschüsse aus den Zusatzversicherungen zum Stichtag in der Standmitteilung an, und wenn, dann häufig nur an wenig promienten Stellen des Dokuments. Da es sich um nicht garantierte Überschüsse handelt, wäre mehr Transparenz wünschenswert. „Die Überschüsse aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung sollten mitgeteilt werden, da sie zum einen vollständigen Auszahlungswert gehören.“ meint Herr Kühl. „Fehlen diese Überschüsse sogar in den Werten in der Standmitteilung, kann man dies durchaus als Verstoß gegen den § 155 des VVG werten.“ 

Punktesystem belohnt Vollständigkeit

Aufgrund der Zunahme der Informationen im Jahr 2021 kommen bei der Studie aktuell insgesamt 43 (2021: 36) Versicherungsgesellschaften auf 87 Punkte. Die durchschnittliche Punktzahl bei der Transparenzstudie beträgt ebenfalls 87 Punkte (2021: 85). Im Punktesystem gibt es für eine Standmitteilung 87 Punkte für den Fall, dass alle gesetzlichen und notwendigen Informationen enthalten sind.Viele Gesellschaften erreichen die 87 Punkte allein durch die Pflichtangaben. Andere Unternehmen erreichen diese Punktzahl dadurch, dass sie zusätzliche Angaben zu Themen wie Vertragskosten, Abrufbedingungen oder Informationen zu den Zusatzversicherungen enthalten.Mehr bedeutet jedoch nicht automatisch besser. So Kühl: „Die Überschussmitteilungen dürfen auch nicht mit Informationen überladen werden. Die Werte sollten verständlich und vollständig, am besten jeweils tabellarisch, dargestellt werden. Je mehr Informationen ein Dokument enthält, desto schwieriger ist es oft, diese zu verstehen. Jeder Kunde sollte nicht nur direkt erkennen können, wie hoch der erreichte Überschuss seines Vertrages aktuell ist, sondern auch wie hoch der erreichte Überschuss zum Ablauftermin ist, unabhängig von einer zukünftigen Beitragszahlung.“    

Erläuterungen zur Studie

Mit der vierten Auflage der Transparenzstudie nimmt Policen Direkt als größter institutioneller Versicherungsnehmer Deutschlands wie in den Vorjahren in den Blick, ob alle Lebensversicherer die gesetzlichen Pflichten erfüllen. Untersucht wurde über die Pflichtangaben des § 155 VVG hinaus, ob Lebensversicherer Ihren Kunden weitere durch die BaFin vorgeschriebene Informationen zu den Bewertungsreserven mitteilen. Weitere Grundvoraussetzungen dafür, die Kunden in die Lage versetzen, dass sie die Entwicklung ihres Vertrags verstehen, gehen somit in die Bewertung ein.Die Transparenzstudie zu den Standmitteilungen umfasst vier Bereiche:

  • Der erste Bereich befasst sich mit den gesetzlichen Mindestanforderungen an die jährliche Information der Versicherer laut §155 VVG. Es geht hier um den aktuellen Rückkaufswert, um die garantierte Ablaufleistung und die bei Beitragsfreistellung sowie die Leistung im Todesfall. An dieser Stelle bewertet Policen Direkt auch, inwieweit die Vorgaben der BaFin zu den Bewertungsreserven erfüllt sind und ob korrekt auf Angaben nach MindZV hingewiesen wird.
  • Der zweite Bereich zeigt, inwieweit Versicherer wichtige optionale Informationen in den Infobriefen machen.
  • Im dritten Bereich untersucht Policen Direkt weitere sinnvolle Bonus-Angaben.
  • Der vierte Untersuchungsbereich, der nicht in die Gesamtpunktzahl eingeht, widmet sich der Verständlichkeit der Standmitteilung. Hier werden Umfang, Textqualität, und die Verständlichkeit der Vertragswerte sowie die gesonderte Erklärung einzelner Begriffe betrachtet.

Die Studie nimmt klassische kapitalbildende Lebensversicherungen in den Blick und ist deshalb primär eine Transparenzuntersuchung für Bestandskunden. Sie wird laufend aktualisiert. Versicherer, die gesetzeskonforme Standmitteilungen nachreichen, finden Eingang in die Studie unter Standmitteilungen. Policen Direkt verwaltet rund 12.000 Lebensversicherungsverträge im Wert von knapp 1 Mrd. Euro. Für einen nachhaltig erfolgreichen Ankauf von Lebensversicherungen sind die Transparenzdaten deutscher Lebensversicherer wichtig. Neben individueller Vertragsdaten geht es auch um die langfristige Sicherheit der Unternehmen. Da nicht alle Gesellschaften Ratings veröffentlichen, greift das Unternehmen auf frei zugängliche Quellen zurück und teilt die Analysen zu den Standmitteilungen, zur laufenden Verzinsung, zur Mindestzuführungsverordnung und zu den Solvenzquoten mit der Öffentlichkeit. „Wir betreiben damit Verbraucherschutz aus Geschäftsinteresse“, erklärt Kühl.

Alle Policen Direkt-Studien zur deutschen Lebensversicherung: Studienübersicht

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